Leidenschaftlich
für ein Europa mit einer besseren Verfassung argumentierte
Ministerpräsident a.D., Dr. Erwin Teufel
Die
Chance „Europa“ nutzen – aber nicht kritiklos
Mannheim.
Europa ist eine einzige Erfolgsgeschichte: Dieses flammende Plädoyer
für den europäischen Staatenbund entzündete der ehemalige
Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Dr. Erwin
Teufel, in der Adventszeit, bei seinem Vortrag „Europa in eine
bessere Verfassung bringen“ im Stadthaus, in N 1. Ein geeintes
Europa kann aber nur mit der Unterschrift aller 27
Mitgliedsstaaten unter den Vertrag von Lissabon gelingen, von
dem jeder einzelne Bürger nur gewinnen kann. Spätestens in der
sich anschließenden Diskussion mit der SPD-Europaabgeordneten
Evelyne Gebhardt hielt der Ex-Ministerpräsident auch mit Kritik
nicht hinter dem Berg. „Wir brauchen die Vereinigten Staaten
von Europa“, formulierte Teufel eingangs. Dies sei vor allen
Dingen eine Friedensgemeinschaft, von der die Bürger
profitieren. Bereits in der dritten Generation nach dem 2.
Weltkrieg wachsen die Menschen in Frieden auf. Das hat es zuvor
nie gegeben. In 100 Jahren vor dem 1. Weltkrieg gab es allein 48
Kriege auf dem Kontinent. Die Kurpfalz wurde dadurch häufig in
Mitleidenschaft gezogen und immer wieder zerstört. Gerade die
Deutschen haben nach dem 2. Weltkrieg gelernt, in Freundschaft
mit den Nachbarn, allen voran den Franzosen zu leben. Über
Generationen wurde zuvor den Kindern in beiden Ländern Hass
gepredigt. Heute nennen sowohl Deutsche als auch Franzosen den
Nachbarn als „liebstes Volk“, wozu auch 400 baden-württembergische
Städtepartnerschaften mit französischen Gemeinden beitragen.
Das Zauberwort für die Europäische Union heißt künftig:
Subsidiarität. Nur dann ist Europa stark, wenn es sich um die
richtigen und wichtigen Aufgaben kümmert. Darunter zählen vor
allem eine gemeinsame Sicherheitspolitik, kein Land der EU kann
sich heute mehr selbst verteidigen, die Wirtschaft- und die
gemeinsame Währungspolitik. Für eine soziale Marktwirtschaft
braucht es ebenfalls europäische Rahmenbedingungen, wie für
den grenzüberschreitenden Umweltschutz. „Von allem anderen
soll Europa die Finger lassen“, so Teufel. Schließlich sei
die EU kein Bundesstaat sondern ein Staatenbund, bei dem jeder
einzelne Nationalstaat Kompetenzen freiwillig abgibt. Der EU-Rat
ist nach Ansicht Teufels das reformbedürftigste politische
Gremium überhaupt, um, eine Akzeptanz unter den Bürgern zu erhöhen.
„Wir müssen Europa von den Bürgern her denken und nicht über
den Kopf der Bürger stülpen.“
Aus der Sicht der Bürger ist Brüssel ein fernes
Gebilde, zu dem kein Bezug entwickelt wird, obwohl heute schon
über 50 Prozent der Vorschriften, die allein im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, nur EU-Bestimmungen
umsetzen. Das größte direkt gewählte multinationale
Parlament der Welt mit rund 785 Abgeordnete aus 27 Ländern,
die rund 490 Millionen Bürger vertreten, muss sich dagegen
nicht um Kläranlagen auf der schwäbischen Alb oder im
Schwarzwald kümmern. Ähnlich ist es auch bei der
Fauna-Flora-Habitatrichtlinie: „Das können die Gemeinden vor
Ort viel besser.“ Wer am Ende des Vortrages tiefer in die
Gesichter der zahlreichen jungen Zuhörer schaute, nahm durchaus
ein wenig Enttäuschung wahr, weil in der Diskussion keine
Fragen, beispielsweise über Arbeitsbedingungen innerhalb der
Europäischen Union gestellt wurden. Trotzdem stehen für den
Student für Marketingmanagement, Marc Arnold aus Ilvesheim, und
Natalie Zimmermann fest, die Tourismusmanagement studiert:
„Wir gehen am 7. Juni 2009 an die Urne, wenn das neue europäische
Parlament gewählt wird.“ has |